Fordo ist gefallen – und mit ihm die Fassade der westlichen Ordnung
Die Bombe und ihr Schweigen
Es war 3:42 Uhr in Natanz, als der Himmel zu brennen begann.
Ein greller Lichtblitz, ein dumpfer Knall – und die Vorstellung von Sicherheit war nur noch Staub. Die USA haben gesprochen – nicht mit Worten, sondern mit Bomben. Drei Atomanlagen im Iran wurden gezielt zerstört: Fordo, Isfahan, Natanz. Es war kein Warnschuss, kein „letztes Mittel“, sondern ein offener Kriegseintritt. Formal präzise, technologisch effizient – politisch desaströs.
Dieser Angriff trifft nicht nur Reaktoren. Er trifft das Fundament einer Weltordnung, die sich auf Legitimität und Gleichgewicht beruft – und längst auf Dominanz und Gewalt gebaut ist.
Imperiale Logik kennt keine Opfer
Was hier exekutiert wird, ist eine Atomordnung, die keine ist.
Israel darf schweigen über seine Atomwaffen – Iran darf nicht einmal denken. Israel darf präventiv bombardieren – Iran darf sich nicht einmal verteidigen. Israel darf sich „existentiell bedroht“ fühlen – Iran darf nicht einmal existieren, ohne unter Überwachung zu stehen.
Diese Gewaltverhältnisse sind nicht irrational, sondern funktional. Imperiale Gewalt ist Klassenpolitik im globalen Maßstab. Sie schützt keine Menschen, sondern Energie-Deals, Investitionsgarantien und geopolitische Vorherrschaft.
Sie wird geplant in Thinktanks, finanziert durch Rüstungsetats, abgesichert durch Mediennarrative – und sie nützt jenen, die aus jedem Krieg einen Markt machen.
Zwischen Drohne und Diktatur
Und dabei geht es – wie immer – nicht um die Bevölkerung.
Nicht um die Menschen in Teheran, Isfahan, Maschhad. Nicht um die Frauen, die gegen das Regime aufbegehren. Nicht um die Arbeiter, die für Brot, Wasser, Strom streiken.
Im Gegenteil: Der Angriff wird das Regime stärken. Die Revolutionsgarden werden von außen bestätigt, die Repression nach innen eskaliert.
Wer jetzt demonstriert, wird zur „ausländischen Gefahr“ erklärt. Krieg von außen bedeutet mehr Gewalt nach innen.
Zwischen den Fronten steht eine Gesellschaft, die zerrieben wird – von religiöser Autorität auf der einen, von imperialer Intervention auf der anderen.
Kermani dazu:
„Es gibt eine Opposition im Iran, die Freiheit will – nicht westliche Bomben.“
Staatsräson made in Berlin
Einer der einflussreichsten deutschen Intellektuellen, Navid Kermani, schrieb jüngsten in der Süddeutschen Zeitung: „Nicht in meinem Namen.“ Und weiter:
„Ich warte darauf, dass sich ein einziger Politiker in Deutschland, in Europa, von dieser Eskalation distanziert“, schreibt Kermani. Doch das Schweigen bleibt. Staatsräson schlägt Gesinnung.“
Doch Berlin schweigt. Der neue Außenminister Wadepuhl verteidigt das „Recht Israels auf Selbstverteidigung“. Kanzler Merz hält an der Staatsräson fest.
Aber was bedeutet Staatsräson, wenn sie zur Lizenz für Zerstörung wird?
Die gleiche Bundesregierung, die mit Israel Waffenhandel auf Rekordniveau betreibt, schweigt zu israelischen Luftangriffen auf Schulen in Gaza – und nennt es „Verantwortung aus der Geschichte“.
Der Bezug auf den Holocaust wird zur moralischen Monstranz – entleert und instrumentalisiert. Die deutsche Erinnerungspolitik schützt nicht vor Gewalt – sie rechtfertigt Bündnistreue und Bombenexporte.
Der Feind meines Feindes ist mein Problem
Kriege entstehen nicht im Moment des Schusses – sondern in der Ordnung, die ihn vorbereitet.
Der Angriff auf Iran ist kein Unfall, sondern Ausdruck einer Welt, die sich durch Gewalt erhalten will. Sie beruhigt Märkte, diszipliniert Peripherien, erzwingt Gehorsam. Wer als „Gefahr“ definiert wird, hat sein Existenzrecht schon verwirkt. Die Atomordnung ist keine Ordnung – sie ist ein Monopol. Auf Angst. Auf Abschreckung. Auf Erpressung.
Und: auf das Schweigen der Gutmeinenden.
Widerstand ist eine Frage der Würde
Was wir jetzt brauchen,
ist keine Analyse ohne Haltung,
keine Mahnung ohne Konsequenz,
kein Frieden ohne Gerechtigkeit.
Was wir brauchen, ist Widerstand –
gegen den Krieg,
gegen die Doppelmoral,
gegen die Ordnung der Waffen.
Für die Menschen – nicht für die Mächte.
Für Teheran, Tel Aviv, Ramallah, Rafah –
für das Recht auf ein Leben ohne Bomben, ohne Diktatur, ohne Imperium.
Und am Ende: ein Satz
Fordo ist gefallen – aber es fällt auch ein Schleier.
Wer jetzt noch wegschaut, schützt nicht den Frieden.
Sondern den Krieg.
(c) Kritik & Praxis – Verstehen. Hinterfragen. Verändern.
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