Nach dem US-Bombardement - kommt jetzt der Regime Change im Iran ?

Zerrissene Heimat, falsche Hoffnung – Iran zwischen Repression, Revolution und imperialer Instrumentalisierung

"Wenn ich die Symbole des Regimes brennen sehe, freue ich mich – und mein Herz zieht sich zusammen."

So beginnt die iranische Dichterin Atefe Asadi ihren erschütternden Essay über den Anblick der zerstörten Heimatstadt Teheran in der FAS. Zwischen dem Schock über zivilen Tod und der Hoffnung auf ein Ende des Terrors zieht sich durch ihre Worte eine Dialektik der Ohnmacht. Wer Befreiung will, darf nicht vergessen, dass Befreiung auch bluten kann. Und wer Freiheit sagt, darf nicht Krieg meinen.

Doch genau diese Verwechslung ist wieder im Gange. Israelische Angriffe auf iranische Militärinfrastruktur, geheime US-Kommandos, „gezielte Tötungen“ von Revolutionsgardisten, Luftschläge im Namen der Demokratie. Und westliche Leitartikel, in denen vom „Ende der Mullahs“ geträumt wird. Als ob Raketen das leisten könnten, was die iranische Protestbewegung seit Jahrzehnten auf den Straßen versucht: ein Regime zu stürzen, das auf Blut, Angst und Gehorsam gebaut ist.

Navid Kermani, Schriftsteller und scharfer Kritiker jeder imperialen Gewalt, warnt in der Süddeutschen Zeitung zu Recht: Kein Volk wurde je durch Bomben zur Demokratie gebracht. Auch nicht das iranische. Wer Befreiung will, muss Gesellschaft aufbauen, keine Städte zerstören. Wer an die Opposition glaubt, muss ihr zuhören – nicht sie instrumentalisieren.

Doch auch die Opposition ist gespalten. Mahmud Moradkhani, Neffe von Khamenei und entschiedener Regimegegner, fordert im Interview mit der NZZ einen „endgültigen Sturz“. Die Bewegung von 2022 habe sich „in Poesie und Strukturfragen“ verloren. Rechte der Frauen ja – aber ohne politische Strategie, ohne Führung, ohne Plan für den Tag danach, könne kein Umsturz gelingen. Er warnt: „Wenn das Regime überlebt, wird es sich grausam rächen.“

Ein düsteres Echo kommt von Thomas Osten Sacken , einem langjährigen Kenner der Region, in der Jungle World. Er verweist auf das historische Trauma nach 1991: Als Saddam Hussein trotz Kriegseinwirkung überlebte, massakrierte er Zehntausende Kurden und Schiiten. Sollte die Islamische Republik diesmal die Schläge Israels und der USA überstehen, steht Iran vor einer ähnlichen Spirale der Repression. Oppositionelle, die jetzt noch hoffen, könnten dann hängen. Es wäre nicht der Anfang vom Ende – sondern das Ende aller Hoffnung.

Doch hier liegt der tiefste Widerspruch: Die Angst vor Rache macht die Hoffnung auf Veränderung zur Gefahr. Die Gewalt des Regimes blockiert den Aufstand. Die Gewalt von außen zerstört den sozialen Boden, auf dem ein Wandel entstehen könnte. Und dazwischen: eine Gesellschaft, erschöpft, verfolgt, geopfert.

Asadis Worte hallen nach: „Wir Iraner waren immer allein.“

Allein im Kampf. Allein im Leid. Allein in der Entscheidung zwischen Passivität und Risiko. Zwischen einer Zukunft, die uns nicht gehört, und einer Gegenwart, die uns vernichtet.

Es braucht eine radikale, globale Solidarität – jenseits von Militärkoalitionen und leeren UN-Resolutionen. Es braucht Netzwerke, die Überleben sichern, Stimmen schützen, Fluchtwege eröffnen, aber auch politische Zukunftsperspektiven mit der Opposition im Inneren entwickeln. Denn das andere Szenario kennen wir: Regime überleben. Und ihre Rache ist systematisch.

Freiheit ist nicht der Exportartikel westlicher Armeen. Sie wächst in den Trümmern der Angst, im Flüstern der Frauen, in den Gedichten von Asadi.

Nicht der Himmel muss fallen. Sondern das Schweigen.

(c) Kritik & Praxis - Verstehen. Hinterfragen. Verändern

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