Sie führen Krieg. Wir zahlen ihn

Wie die iranische Arbeiterbewegung dem globalen Zynismus trotzt

Ein Essay über internationale Klassensolidarität, imperiale Gewalt und die Rückkehr der Hoffnung von unten

Gegen Krieg und kriegstreiberische Politik

So beginnt eine Erklärung, die inmitten des Sirenengeheuls und der Raketenbilder beinahe untergeht – und doch alles enthält, was über den neuen Krieg im Nahen Osten gesagt werden muss. Es ist kein diplomatischer Appell, keine moralische Floskel. Es ist ein kollektiver Aufschrei derer, die seit Jahrzehnten zum Schweigen verurteilt sind. Und jetzt sprechen sie.

Die Arbeiter:innen aus Teheran, aus Haft Tappeh, aus Kurdistan.

Gewerkschafter:innen, Rentner:innen, Lehrer:innen, Aktivist:innen. Sie alle haben eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Darin heißt es: Nein zum Krieg zwischen Israel und Iran. Nein zur Repression im eigenen Land. Nein zur Heuchelei des Westens.

Die doppelte Front: Diktatur und Drohnen

Während westliche Medien den Krieg in Lager aufteilen – Demokraten gegen Autokraten, Ordnung gegen Chaos –, stellen die iranischen Basisorganisationen diese Logik auf den Kopf. Sie zeigen: Es gibt keinen gerechten Krieg, solange die sozialen Verhältnisse selbst auf Gewalt beruhen.

Sie verurteilen die Angriffe Israels auf iranische Infrastruktur – ebenso wie die Raketen des iranischen Regimes, das sich auf den „Widerstand gegen Zionismus“ beruft, während es gleichzeitig eigene Arbeiter:innen verhaftet, Frauen unterdrückt und die Jugend mit Armut zum Schweigen bringt.

Der Krieg ist für beide Seiten ein Machtinstrument. Für Netanjahu, um die innere Krise zu verdecken. Für das iranische Regime, um jeden Protest als „Verrat“ zu brandmarken.

Drittes Lager. Erste Hoffnung.

Was hier entsteht, ist ein „Drittes Lager“ – nicht zwischen den Staaten, sondern gegen sie. Es ist der Aufstand derjenigen, die in keinem Friedensvertrag vorkommen. Die unter Bomben leben, aber nie eingeladen werden, über Waffenstillstand zu verhandeln.

Es ist die Parteilichkeit der Ohnmächtigen, die ihre Stimme erheben. Nicht, um sich einem geopolitischen Block anzuschließen – sondern, um die Herrschaftsblöcke zu durchbrechen. Sie rufen nicht nur nach Frieden – sie fordern Gleichheit, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung.

In einer Passage heißt es:

„Wir verurteilen nicht nur die Kriege der Herrschenden. Wir rufen die Bewegungen weltweit auf, sich zu verbinden – Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen, Umweltgruppen, Friedensbündnisse. Gegen die Logik des Krieges. Für das Leben.“

Was diese Erklärung bedeutet

Sie bedeutet: Die Klasse spricht wieder. Nicht als ökonomische Statistik, sondern als politische Kraft. Ihre Sprache ist klar, ihre Forderungen sind konkret. Sie reden nicht von geopolitischen Interessen, sondern von Brotpreisen, von Repression, von Gefängnissen, von Bombennächten.

Und sie sagen: Eure Raketen bringen uns keinen Frieden. Eure Sanktionen bringen uns kein Leben. Eure Rhetorik bringt uns kein Morgen.

Deutsche Heuchelei und imperialer Pazifismus

Die Erklärung richtet sich auch – implizit – gegen die Bundesrepublik. Während deutsche Politiker:innen auf „Verantwortung“ pochen, liefert Rheinmetall neue Waffen. Während sich Think Tanks in „wertegeleiteter Außenpolitik“ üben, werden Gewerkschafter:innen im Iran inhaftiert – und Berlin schweigt.

Und noch etwas sagt dieses Statement zwischen den Zeilen:

Solidarität ist keine Unterschrift auf einer Petition. Sie ist ein Bruch. Mit der eigenen imperialen Bequemlichkeit.

Was tun?

Es ist an der Zeit, das Schweigen zu brechen – auch hier.

Unterstützen wir die unabhängigen Arbeiter:innenorganisationen im Iran – politisch, medial, finanziell.

- Blockieren wir die Waffenlieferungen an die Kriegsparteien – in Deutschland, Frankreich, USA.

- Verbreiten wir ihre Stimmen. Organisieren wir Veranstaltungen, Aktionen, Bildungsarbeit.

Denn wer heute schweigt, macht sich morgen mitschuldig.

„Der wahre Waffenstillstand beginnt mit der Wahrheit.“

Diese Wahrheit kommt nicht von den Kanzeln der Macht. Sie kommt von unten. Von Bussen in Teheran. Von Streiks in den Zuckerfeldern. Von den Ruinen der Kriege. Von jenen, die keine Lobby haben – aber eine Geschichte.

Es ist Zeit, ihnen zuzuhören. Und mit ihnen zu sprechen.

Nicht als Helfer. Sondern als Unterstützer:innen ihres Kampfes.

(c) Kritik & Praxis – Verstehen. Hinterfragen. Verändern

Zur Erklärung:

https://internationalviewpoint.org/spip.php?article9051

Du magst unsere Essays und Analysen? Jetzt kannst du mehr davon direkt ins Postfach bekommen!

Kritik & Praxis – Analysen, politischer Klartext, Gegenmacht.

JETZT KOSTENLOS ABONNIEREN
kritikundpraxis.substack.com